Wat jung es

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Wat jung es

"Wat jung es, dat spielt gern; wat ault es, dat knurrt gern"

Die Wohnsituation unserer mittelalterlichen Vorfahren war sehr bescheiden. Das Innere der Bauernhäuser war nur mit wenig Mobiliar ausgestattet, stets rußig und verräuchert, nur notdürftig durch kleine Seitenluken oder Dachöffnungen belüftet. Das Licht kam nur vom Feuer an der Feuerstelle. Die Feuchtigkeit vom Regen und aus dem Boden schluckte die Wärme schnell auf. Als Fenster dienten runde Löcher im Fachwerk, in denen aufgeblasene Schweinsblasen steckten, die Windaugen ("wiend-oge", vgl. im Englischen window).

Die mittelalterliche ländliche Sozialstruktur war von unserer heutigen sehr verschieden. Heute ist unser Grundsatz die allgemeine Handlungsfreiheit des Menschen, die als "freie Entfaltung der Persönlichkeit" auch in unserer Verfassung steht. Im wesentlichen können wir uns unseren Beruf, unseren Wohnort, unseren Ehepartner u.s.w. nach unseren Vorstellungen frei wählen. Unsere Vorfahren waren indessen meistens in allen diesen menschlichen Lebensbereichen nicht völlig frei, sondern strengen Vorschriften unterworfen. In der Regel waren sie nämlich "hörig", d. h. sie gehörten einem Leibherrn.

Die Eigenhörige waren "mit Gut und Blut"leibeigen und mit ihrer Nachkommenschaft dem Leibherrn zu unbedingtem Gehorsam unterworfen. Aus dieser Unfreiheit resultierten eine ganze Reihe von Pflichten:

- Gesindezwangdienst der Kinder als Mägde und Knechte beim Leibherrn. Der Dienst dauerte in der Regel ein halbes Jahr, danach wurde der Freibrief erteilt, der zur Heirat berechtigte. Dieser Dienst konnte teilweise in teures Geld umgewandelt werden, die wenigsten konnte sich das aber leisten.

- Pflicht zum Freikauf bei Heirat des Hörigen, wenn mit der Heirat ein Wechsel des Leibherrn verbunden war.

- Strafrecht des Leibherrn, der Geld- und auch Körperstrafen verhängen konnte.

- Leistung von laufenden Abgaben in Form von Korn, Vieh, Geld u. a.

- Leistung von zusätzlichen Abgaben bei den sogenannten "ungewissen Gefällen", z. B. bei Tod, bei jeder Heirat (sog. Auffahrt) u. a. .

- Leistung von Wach-, Hand- und Spanndiensten, wobei letztere eine größere Pferdehaltung erforderten als der Hof des Hörigen zur Bestellung seiner Äcker nötig hatte.

- Einholung einer Erlaubnis vor dem Fällen von Bäumen.

- Einschränkung der Rechtsfähigkeit, z. B. bedurfte die Aufnahme von Geldanleihen oder das Angebot eines Brautschatzes oder die Heirat der Genehmigung des Leibherrn.

- Recht des Leibherrn, den Bauern bei schlechter Wirtschaftsführung, Pachtschulden und Dienstverweigerung von der Stelle zu setzen ("abmeiern").

Dazu kam die Zahlung des Zehnt an die Kirche, d.h. jede zehnte Korngarbe (großer Zehnt oder Fruchtzehnt, decima major) und jedes zehnte neugeborene Tier (kleiner Zehnt oder Blutzehnt, decima minor).

Die Leibeigenen hatten aber grundsätzlich ein erbliches Nutzungs- und Besitzrecht an dem Grund und Boden, auf dem sie wohnten und den sie bebauten.

 

Innerhalb der Bauernschaft konnten die Bauern nach ihrem Anteil an dem in Gemeinbesitz befindlichen Grund und Boden, der Allmende (auch "Brede" oder "Mark" oder einfach "Feld" genannt), unterteilt werden.

Ein anderes Unterscheidungsmerkmal war der Anteil an der eigenen Hofstelle, am sogenannten "Erbe". An der Spitze der Besitzhierarchie standen die sogenannten Ganz- oder Vollerben, wobei die ersteren das Grundeigentum komplett erbten.

Bei Zuwachs weiterer Kinder wurden Hofstellen geteilt, und neben den Vollerben entstanden die Halberben. Sie erbten die halbe Hofstätte und besaßen auch entsprechend weniger Ansprüche sowohl bei der Nutzung als auch bei der Teilung der Mark. Die Voll- und Halberben führten den Titel "Kolon" ("Colonus") teilweise stolz bis ins 19./20. Jahrhundert.

Stets war das gemeinsame Ackerland knapp und die Bauern bemühten sich, es zu mehren und seinen Ertrag zu erhöhen. Wo der Boden zu sandig war, wurde er durch jahrelanges Düngen mit einem Gemisch aus Stalldung und Plaggen als Saatland gewonnen. Dabei sind Plaggen fünf bis zehn Zentimeter dicke, humus- und wurzelreiche Rasenstücke, die von mit Heide oder Gras bewachsenen Mineralböden abgehoben und auf die "Esch" als neues, fruchtbareres Land gebracht wurden . Von dieser anstrengenden Arbeit kommt der Ausdruck der "Plackerei". Teilweise lag dieser Plaggenboden einen halben Meter höher als das umliegende Land und wurde oft durch einen Zaun vom weidenden Vieh abgegrenzt.

Später bildeten sich auch die "Kämpe" (auch "Rott" u. ä.) aus, das sind hofferne Äcker, in regelmäßigen Formen, oft sogar als Blöcke, die die Nutzungsflächen für die Bauern erheblich erweiterten.

Da vermutlich nicht jeder Bauer die gleiche Arbeitsleistung in das gemeinsame Feld einbrachte, wurde es in lange Streifen auf die einzelnen Erben aufgeteilt. Diese alten Langstreifenfluren auf den Eschen oder Feldern sind auf den alten Karten noch sehr gut zu erkennen. Erst durch die Verkoppelung (Zusammenlegung) 1882/89 von vielen kleinen und nicht zusammenhängenden Feldern zu wenigen und zusammenhängenden wurden schematische rechteckige und quadratische Äcker erreicht. Rings um die noch relativ kleinen Ackerflächen, deren Größe man für den einzelnen Hof auf kaum mehr als sieben bis zehn Morgen schätzt, lag ein riesiges Gebiet aus Wald und Heiden, nämlich die Gemeine Mark (Gemein = Allgemein). Sie wurde zur Viehweide, zur Holznutzung, zur Schweinemast in den Eichenbeständen und zur Gewinnung von Plaggen zur Auftragung und Düngung der Esche benutzt .

Durch den Zuzug von Menschen, das günstige Klima im Frühmittelalter und verbesserte Arbeitsmethoden beim Roden kam es zur Verdoppelung der ansässigen Erben im 9. bis 13. Jahrhundert. Der Besitz der einzelnen Höfe wuchs auf 20 bis 30 Morgen an. Dann fand die Nutzung guten Ackerbodens ein Ende. Die fortschreitende Entwicklung der Ansiedlungen, auf denen eine Familie leben konnte, wurde schwieriger. Die raumgreifende Rodungstätigkeit endete im wesentlichen, nun entwickelte sich in steigendem Maß die klein- und nebenbäuerliche Kottensiedlung mit ihren kleinblockigen, markständigen Einzelhöfen.

Deshalb setzte nach 1250 die Abspaltung von Erbkotten ein.

Im ursprünglichen altsächsisch Sprachgebrauch meinte "Kott" einen abgegrenzten Platz, eine bestimmte Stelle. Bis heute noch ist die Bedeutung im Plattdeutschen gebräuchlich. "De Koh schitt sik in`t Kott", sagt der Bauer, wenn die Kuh genau da abmistet, wo sie sonst liegt. Kotten sind heute bloß noch Häuser auf dem Land (vgl. auch engl. "cottage" und das Verb "to cut").

Die Erbkotten waren nun Höfe, die die Kinder der Bauern auf einem abgetrennten, schon kultivierten Teil des Hofgrunds für sich selbst errichteten und durch weitere Rodung vergrößerten. Auch die Althöfe versuchten, ihren durch die Abspaltung eingetretenen Verlust durch Rodung zu ergänzen.

Es kam aber auch dazu, daß die Kinder für ihre Eltern separate Kotten errichteten. Ursprünglich blieben die Eltern nach der Hofübergabe bei den jungen Leuten im Erbwohnhaus. Das führte natürlich bald zu Zank und Streit auf dem Hof: "Wat jung es, dat spielt gern; wat ault es, dat knurrt gern". Weil das auf die Dauer nicht gut ging, setzte sich die getrennte Haushaltsführung für jung und alt durch, indem für den Altbauern ein Leibzuchtskotten als Altenteil gebaut wurde. Diese Kotten wurden auf dem Hof selbst oder nahe daran erbaut und mit Ackerland und Vieh ausgestattet.

Auch in der Folgezeit mußten vom Hof abgehende Söhne angesiedelt werden, da andere Lebensmöglichkeiten als die Landwirtschaft noch kaum existierten. So entstanden seit etwa 1500 an den Grenzen der Mark die Markkötter. Diese Neuansiedler erhielten kein Land mehr von den Stammhöfen, sondern nur eine Rodungsparzelle an der Mark. Ihnen wurden auch, abgesehen von ihrem käuflich erworbenen Anteil und Grund in der Mark, keine Rechte eingeräumt . Sie waren im allgemeinen auf Nebenerwerb angewiesen.

Eine ähnlich schlechte soziale Position hatten die Brinksitzer (Beihäuser / Brinkligger / Brinkkötter). Nachdem die Mark in ihrem Bestand erheblich geschrumpft war, lehnten die Bauern weitere Siedlungen ab. Es kam nur noch vereinzelt durch den Kauf kleinerer Parzellen zu neuen Ansiedlungen am Dorf- oder Eschrand. Allerdings hatten diese Brinksitzer anfangs keinerlei Rechte in Bezug auf die Mark; sondern wurden lediglich als Inhaber eines Hausplatzes angesehen. Zusätzlich zur Landwirtschaft mußten sie meist ein kleines Handwerk oder einen anderen Nebenerwerb betreiben, um sich ernähren zu können. Ihr karges Leben wird beispielsweise durch ihren Anteil am Holz beschrieben. Daran stand ihnen zu, "was die Krähe vom Baume trat".

Über die wirtschaftliche Situation der Menschen in Erpen im 16. und 17. Jahrhundert geben die erhaltenen Steuerlisten Auskunft .

Fast alle Höfe waren schon seit der Frankenzeit eigenhörig, und zwar meist zum Herren auf dem Palsterkamp.

Die Viehlisten zeigen in der Mitte des 16. Jahrhunderts einen außerordentlich großen Viehbestand der Höfe (Pferde, Kühe, Schweine, Schafe, Enten) und damit einen verhältnismäßigen Wohlstand an. Dies könnte auch mit erklären, warum es in unserem Gebiet zu keinen Bauernkriegen kam.

In dem furchtbaren halben Jahrhundert von 1550 bis 1600 ist ein starker Rückgang des Vermögens festzustellen. Das lag an einfallenden raubenden Truppen (z.B. aus dem Ravensbergischen und aus den Niederlanden), vielen strengen Winter, der Pest und anderen häufig seuchenartigen Krankheiten (z. B. Pocken). Während dieser Zeit hungerten die Menschen immer wieder bitter, die Tiere erfroren teilweise, und die Ärmeren buken ihr Brot aus Stroh, Tannen- oder Erlensamen.